Tag 6: Weite Flächen

Kaum war unser gestriger Beitrag online, gab das Land Hessen bekannt: Freizeit- und Amateursport ist auf und in allen öffentlichen Sportanlagen nur alleine, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand gestattet. Die Neuerung: Sportanlagen müssen nicht mehr grundsätzlich geschlossen sein. Bis gestern war dies der Fall - für Reithallen gab es aber eine Ausnahme, um die Bewegung der Pferde gewährleisten zu können. Diese Ausnahme war nicht auf "alleine, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand" begrenzt.

 

Was bedeutet das also jetzt? Gilt das gesamte Gelände unseres Vereins als eine "Sportanlage"? Ist jede Halle eine eigene Sportanlage? Wie viel Fläche muss pro Person (oder Zweiergruppe oder Haushalt) zur Verfügung stehen, damit es als "Individualsport" gilt? Auf einem öffentlich zugänglichen Sportplatz, wenn der denn jetzt wieder öffnet, lässt sich doch sicher auch nicht gewährleisten, dass man grundsätzlich alleine ist, wenn man dorthin geht zum Trainieren - sicher kann es passieren, dass irgendjemand ganz unabhängig davon zeitgleich auf die gleiche Idee kommt. Und dann? Reicht es, wenn man an unterschiedlichen Enden des Sportplatzes trainiert? Oder muss man draußen vor dem Tor warten, bis der andere fertig ist?

 

Unsere beiden Reithallen sind 800 bzw. 600 Quadratmeter groß und beide zu mindestens einer Seite halb offen, also gut gelüftet. Wir haben, selbst von Seiten der Politik, schon häufiger gehört, das sei "ja fast wie draußen". Vergleichen wir uns also mit einem Sportplatz: Wie viele Leute dürfen denn nun rein? Maximal zwei pro Halle? Maximal zwei auf dem gesamten Vereinsgelände, also einer pro Halle? Kann man sich eventuell wieder an der Regelung aus dem Frühjahr orientieren, dass eine Person pro 200 Quadratmeter eigentlich doch völlig in Ordnung ist - also drei bis vier pro Halle? Was hat Vorrang - die Regelung, nur wenige Personen auf der Sportanlage zuzulassen, oder das Tierschutzrecht, das tägliche Bewegung für Pferde vorschreibt?

 

Der Landessportbund hat gestern schnell reagiert und mitgeteilt, dass "weitläufige Sportanlagen auch in gedeckten Sportanlagen (Tennishallen, Kartbahnen, Mehrfelderhallen) oder Sportstätten im Freien wie z. B. Sportplätze, Leichtathletikstadien, Tennisanlagen, Golfplätze oder Reitplätze gleichzeitig von mehreren individualsportlich aktiven Personen genutzt werden dürfen." Das ist zwar nicht besonders konkret, aber immerhin mal etwas.

 

Außerdem hat der Landessportbund bekanntgegeben, dass nach Diskussionen mit dem Land Einzelunterricht nun doch erlaubt und möglich sei. Es dürfe aber keine "Durchmischung" der Personen geben, pro "Gruppe" (in diesem Fall dann also vermutlich auch Reitlehrer und Reitschüler) immer nur die gleichen Personen miteinander trainieren. Und was gilt dann, wenn ein Reitlehrer nacheinander wechselnde Schüler unterrichten würde? Jeglicher Sport in der Gruppe bleibt verboten.

 

Und was machen wir nun damit? Aus Sicherheitsgründen erst mal weiter wie bisher - wir gönnen unseren Pferden einen wohlverdienten Urlaub. Ein paar Einzelstunden wären zwar eine finanzielle Erleichterung, würden dennoch bei weitem nicht die Kosten decken - vor allem aber würden sie verhindern, dass wir es zeitlich schaffen, alle unsere Pferde so zu bewegen, wie es nötig ist. Und auch im therapeutischen Reiten können wir es nicht verantworten, Menschen mit Beeinträchtigung auf nicht ausgelastete Pferde zu setzen, die (neben ihrer Freizeit auf dem Paddock) nur alle paar Tage etwas kontrollierte Bewegung bekommen. Es wird Winter, der Bewegungsbedarf der Pferde wird bei den kalten Temperaturen größer und da ist die Unfallgefahr schon im "Normalbetrieb" höher als bei 35 Grad im Hochsommer.

 

Nicht vergessen: Auch wir machen das "nur" nebenbei im Ehrenamt. In den Stall kommen wir nach unserem Vollzeit-Job - und müssen dann entscheiden, ob im Rahmen von Einzelstunden vielleicht noch drei oder vier Pferde bewegt werden oder ob mehrere Übungsleiter, die dies ohne Unterricht und Anleitung übernehmen können, dafür sorgen, dass alle Pferde die nötige Bewegung erhalten.

 

Wir werden aber das Wochenende nutzen, um ein neues und strengeres Hygienekonzept auszuarbeiten, das uns irgendwie beides ermöglicht: ein paar Einzelstunden und das Bewegen all unserer Pferde - in der Hoffnung, dass dieses von der zuständigen Ordnungsbehörde dann auch bald freigegeben wird.