Aufrüsten zum Weihnachtspaket

Es gibt nicht viele Reitlehrgänge, bei denen die Teilnehmer behaupten können, sie hätten sich wie ein Weihnachtspäckchen gefühlt. Einer der wenigen, auf die dies zutrifft, war die Sitzschule nach der Franklin-Methode bei Anette Jung. Im Einzelunterricht wurde individuell mit Schwämmen, Bällen und Bändern an der Lockerheit im Sitz, gleichzeitig aber der nötigen Stabilität im Körper gearbeitet - für glückliche Reiter und zufriedene Pferde.

Auch wenn viele, die noch nie auf dem Pferderücken gesessen haben, es nicht glauben wollen: Reiten ist ein anspruchsvoller Sport. Es stellt Ansprüche ans Gleichgewicht, die Koordination und Konzentration - und spätestens, wenn es ans Aussitzen im Trab geht, versagen sogar viele Profireiter: Statt mit dem Pferd zu einer harmonischen Einheit zu verschmelzen, schüttelt es den Reiter kräftig durch. Und auch im Galopp klappt das richtige Sitzen nur, wenn nicht nur der Vier-, sondern auch der Zweibeiner im Rücken losgelassen ist und die Bewegung durch beide Körper hindurch fließen kann.

 

Sitzt man auf einem holprigen Pferderücken, fällt das Lockerbleiben auf Kommando aber schwer. Besonders, wenn man Reitanfänger ist, kaum Ausgleichssport betreibt oder viel Zeit am Schreibtisch verbringt - denn Reiten verlangt ein gutes Körper- und Bewegungsgefühl. Wer sich mit Kraft und Spannung auf dem Pferd halten möchte, riskiert sowohl die Gesundheit des eigenen Rückens als auch die des Pferderückens. Der Effekt, der Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen in der Reittherapie so viel hilft, greift nämlich auch für jeden anderen Reiter: Becken und Körpermitte müssen komplexen Bewegungen folgen.

 

Mit der Frage, welche Hilfsmittel das unterstützen können, hat sich der Schweizer Sportwissenschaftler, Tänzer, Choreograf und Bewegungspädagoge Eric Franklin beschäftigt. Die in der Franklin-Methode eingesetzten Materialien - Bälle, Rollen, Bänder und Schwämme - können zu einem verbesserten Körpergefühl verhelfen. Heute sind diese Hilfsmittel auch in der Reiterwelt sehr bekannt und beliebt. Gleich mehrere Körbe und Taschen voll davon hat Anette Jung zum Lehrgang "Sitzschule nach der Franklin-Methode" mit zu uns auf den Wiesenhof gebracht. Schon im letzten Jahr war das Interesse an diesem Kurs sehr groß - und auch diesmal war er bis auf den allerletzten der zehn verfügbaren Plätze ausgebucht.

 

 

Acht Stunden lang war Anette in unserer Reithalle unterwegs, um in 45-minütigen Einzelstunden (plus Aufwärmen und Trockenreiten des Pferdes) den Sitz der Reitschüler zu analysieren und gezielt und individuell mit ihren vielfältigen Hilfsmitteln daran zu arbeiten, die Reiter besser und lockerer in den Sattel unserer Schulpferde zu setzen. Der Effekt war nicht nur für die Reiter selbst, sondern auch für diejenigen, die zufällig an der Hallenbande vorbeikamen, und manchmal sogar für Kursleiterin Anette ganz erstaunlich: Lockeres, leichteres Mitschwingen in der Bewegung des Pferderückens war am Ende der Reitstunde plötzlich gar kein Problem mehr - und obwohl in dem Kurs ausschließlich am Sitz des Reiters gearbeitet wurde, liefen plötzlich auch die Pferde lockerer, entspannter und zufriedener.

 

Für jeden hatte Anette die passende Übung und auch die passenden Hilfsmittel dabei: Manche Reiter saßen auf einer wassergefüllten Rolle, andere auf einem großen, speziell geformten Schwamm. Für leichteres Mitschwingen in den Fußgelenken sorgten Schwämme in den Steigbügeln, kleine Noppenbälle in den Händen verbesserten die Handhaltung, ein Elastikband um den Pferdehals war verantwortlich für ruhige Hände und Schwämme unter den Oberschenkeln wirkten gegen einen klemmigen Sitz. Nach und nach wurde dabei aufgerüstet: Hatte man nur mit einer Rolle oder einem Schwamm begonnen, kamen nach und nach immer mehr Hilfsmittel dazu - teilweise in einer Kombination, dass die Reiter sich verschnürt fühlten wie ein Weihnachtspäckchen. Bis zum Aha-Effekt dauerte es dann aber nicht lang - und so wurden die Hilfsmittel nach und nach wieder "abgebaut", bis der Reiter (in dem gefühlt plötzlich einige Nummern größeren Sattel) das neue Sitzgefühl genießen konnte.

 

Ganz nebenbei gab's für die Teilnehmer noch weitere neue Erkenntnisse: Vom Ermitteln der für die individuellen Körpermaße richtigen Steigbügellänge bis hin zum Steuern der Trittlängen des Pferdes rein durch den Sitz konnten alle etwas mitnehmen, was auch ohne die Bälle und Schwämme in künftigen Reitstunden umgesetzt werden kann. Bis zum lockeren Sitz wird allerdings vielleicht noch die eine oder andere Reitstunde mit Hilfsmitteln nötig sein - wie gut, dass wir gemeinsam mit Anette auch für das Jahr 2021 wieder eine Sitzschule planen! Einen Termin dafür gibt es allerdings noch nicht.

 

Viele weitere Fotos vom Kurs gibt es auf unserer Facebook-Seite.

 

Ganz langsam nähert sich das Kursprogramm des Jahres 2020 nun seinem Ende - der nächste Kurs, "Dressurarbeit mit Leichtigkeit" bei Karen Krause am 8. November, ist schon lange bis auf den letzten Platz ausgebucht. Anmelden könnt ihr euch in diesem Jahr noch für den "Kombi-Kurs Bodenarbeit und Reiten" bei Anja Erckel am 22. November sowie für die Agility-Kurse bei Anja Rudolf am 13. Dezember, die wir auch diesmal wieder für Kinder und für Erwachsene anbieten. Die Planung für das Kursprogramm 2021 wollen wir in Kürze beginnen.

 

Vielen Dank an Anette, die uns auch in diesem Jahr wieder eine lehr- und erkenntnisreiche Sitzschule ermöglicht hat - wir freuen uns aufs nächste Jahr! Danke an Aline, Johanna, Katrin, Kristin, Melanie, Melanie, Rosemarie, Verena sowie mit Denise und Vivien auch zwei Nicht-Vereinsmitglieder für das Interesse und die Kurs-Teilnahme. Viele von euch sind ja "Wiederholungstäter" in unserem Kursprogramm und wir freuen uns sehr darüber, dass ihr euch immer wieder für die Teilnahme an unseren Lehrgängen begeistert - aber auch diesmal ist es wieder schön, dass auch neue Gesichter hinzugekommen sind und unser Kursprogramm ausprobiert haben. Wir hoffen, ihr konntet viel aus dem Kurs mitnehmen! Unser abschließender Dank geht auch bei diesem Kurs wieder an unsere großartigen Schulpferde - diesmal an Anoki, Cesar, Emil, Fahira, Marvin, Oliver, Riko und Vin für die tolle Mitarbeit!

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